Familien

Di 01 November 2016

Familien

Erklärungen

Vorweg: Mit "Arm fühlen" meine ich tatsächlich das Geldliche. Wir hatten immer Menschen in unserem Leben die uns ausgeholfen haben, sowohl mit Zeit als auch mit Geld. Darum fühlt sich meine Kindheit eigentlich relativ wohl behütet an in der Hinsicht. Dass wir verschuldet und halt doch immer auf andere angewiesen waren, war dennoch sehr präsent.

Eigentlich wäre auch "eine Art" Pflegefamilie im Comic korrekter gewesen. Besagte Nachbarin dachte sich damals "wenn ich schon wegen der Kinder zuhause bleibe kann ich gleich Tagesmutter machen" und hat mich dabei einfach mit aufgenommen. Ich habe in meinen ersten Jahren mehr Zeit bei ihr als bei meiner Mutter verbracht und ca. bis zur Pubertät hat man mich und meine kleine Schwester nur im Doppelpack gesehen. Mehr als das, sie hat uns öfters die Rechnungen bezahlt, ich habe viele Klamotten von ihren Kindern geerbt und ja, für mich war sie immer eine zweite Mutter.

Dieses Patchworkfamilien-Konzept das wir damals hatten ist heute oft eher schwer zu erklären, weil es ja kein neue Hochzeit oder irgendwas gab. Irgendwann hab ich dann angefangen "Pflegefamilie" zu sagen, weil alle genau das gehört haben, wenn ich versucht habe es zu erklären. Eigentlich mag ich es aber nicht, weil es schlichtweg nicht stimmt.

Es ist wirklich ein schwieriges Thema für mich. Als Mensch mit dem Privileg zu studieren, eine Wohnung zu haben, einen halbwegs sicheren Job und mit Rückendeckung der Eltern wo es halt geht fühle ich mich nicht als dürfte ich mich über Armut beschweren.

Gleichzeitig weiß ich dass "auf Hilfe angewiesen sein" auch immer Teil meines Lebens war. Mehr noch, ich bin damit groß geworden, vielleicht fühlt es sich darum auch so normal an. Wir könnten uns momentan ohne Zuschüsse nicht finanzieren und ich kann nicht weniger als 20 Stunden/Woche neben Uni arbeiten weil wir das Geld brauchen.

Ihr seht meine Gedanken dazu sind etwas wirr, aber so ist auch mein Gefühl zu der Thematik. Ich werde im Laufe der Zeit versuchen diese Gefühle etwas zu entwirren, für heute muss das als Anstoß reichen.

Transkript

[Zu sehen ist ein Grabstein auf dem 1992 steht.]

Zwei Monate vor meinem 4. Geburtstag verstarb mein Vater.

[Ein Haufen voller Briefe. Auf einem steht "Mahnung" auf dem anderen "Rechnung". ]

Meine Mutter und ich blieben mit einem großen Berg Schulden zurück.

[2 Kinder die miteinander spielen. Ein drittes Kind sitzt im Hintergrund. Alle sehen glücklich aus. ]

Aber wir hatten Glück. Ich hatte Großeltern und eine Pflegefamilie. Sie waren Nachbarn mit 3 Kindern die für mich wie Schwestern waren.

[Mehrere Geldscheine und Münzen. ]

Auch leihten sie uns eine große Menge Geld das wir dadurch Zinslos an sie zurückzahlen konnten.

[Wiederum nur Text]

Mir hat es nie an etwas gefehlt. Ich studiere jetzt an einer Universität und habe eine eigene Familie.
Dabei vergesse ich manchmal, dass ich eigentlich nicht zur Mittelschicht gehöre, zumindest nicht auf finanzieller Ebene. Aber ich habe mich einfach nie Arm gefühlt.